Infraleichtbeton - ein Wohnhaus in der historischen Altstadt
Preisträger der
Hugo-Häring-Auszeichnung 2023
Bauherr
privat
Entwurf-Planung-Bauleitung
Architekten am Weberberg
Humm Zalenga Velic Part GmbB
Weberberggasse 19
88400 Biberach
Projektarchitektin
Inge Zalenga, Freie Architektin BDA
Fertigstellung 2022
Umbauter Raum 666 m³
Wohnfläche 140 m²
Infraleichtbeton - ein Wohnhaus in der historischen Altstadt
Preisträger der Hugo-Häring-Auszeichnung 2023
Nominiert für den DAM-Preis für Architektur 2025
https://www.dam-preis.de/de/132/dam-preis-2025/nominierungen/
Aspekte der Nachhaltigkeit
Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen durch Verwendung von Infraleichtbeton mit einer Gesteinskörnung bestehend zu 100 % aus recyceltem Blähglas für die Gebäudehülle. In den monolithischen Infraleichtbetonwänden befinden sich keinerlei haustechnische Installationen oder Einbauten. Der Beton kann zu 100 % recycelt werden.
Für die Fenster, Decken, Innenwände, Treppen und die Dachkonstruktion wurde heimisches Fichtenholz verwendet. Sämtliche Deckenbalken sind verzapft, die Randbalken geschraubt an den Infraleichtbetonwänden befestigt. Die Hölzer sind alle unbehandelt und ohne Farbanstrich. Insgesamt lässt sich die gesamte Konstruktion im Inneren einfach auseinanderbauen.
Sommerlicher Wärmeschutz: durch die hohe thermische Masse wird die Wärme gespeichert und zeitversetzt abgegeben. Es ist keine Klimatisierung erforderlich.
Lange Transportwege entfallen, da die Betonproduktion auf der Baustelle stattfindet. Alle Ausgangsstoffe im Beton sind aus Deutschland. Für die gesamte Holzkonstruktion wurden heimische Nadelhölzer verwendet.
Cradle to cradle ……………… alle verwendeten Materialien können nach Gebrauch wiederverwendet werden.
Anwendung von Beton / Besonderheiten
Die Verwendung von Infraleichtbeton für die Gebäudehülle war eine Herausforderung. Die regionalen Betonwerke stellen keinen Infraleichtbeton her und die überregionalen Betonwerke können aufgrund der kurzen Abbindezeit nicht liefern. Das Projekt stand vor dem Aus. Auf der Messe Beton Tage in Ulm konnte das Problem gelöst werden. Hier wurde der Kontakt zu einem Anbieter einer mobilen Mischanlage für Infraleichtbeton hergestellt. Die Zulassung im Einzelfall wurde beantragt und kam gerade rechtzeitig zum Baubeginn.
Drei Monate später wurde der Beton mittels der mobilen Mischanlage direkt auf der Baustelle produziert und eingebaut (CSC-Zertifikat in Gold für die Zertifizierung von nachhaltigen Gebäuden) Eine spannende Bauphase begann. In drei Betonierabschnitten, in beengter Lage, entstand die Außenhülle des Gebäudes.
Architektonisches Konzept
Vorgaben
Ein Neubau ist geplant, mitten in der historischen Altstadt Biberachs. Nach Abriss des vorhandenen, einsturzgefährdeten Wohnhauses Zeughausgasse 6/1, soll dieser Platz neu besetzt werden. Zweiseitiger Grenzbau, ein denkmalgeschütztes Nachbarhaus, an welches angebaut werden muss und die unmittelbare Nachbarschaft zum ältesten Haus Biberachs (Baujahr 1319), sind keine einfachen Voraussetzungen.
Massivbauweise, Lochfassade und Satteldach mit Biberschwanzziegeln, so die Vorgaben der Bauverwaltung. Es soll ein zeitgemäßes Gebäude entstehen, mit einer modernen Architektursprache, ohne den Dialekt des Ortes zu verlieren. Ein nachhaltiger, schonender Umgang mit Ressourcen war ein wichtiger Aspekt.
Planung
Eine Wohnnutzung auf drei Geschoßebenen wurde entwickelt, ohne Unterkellerung, zumal als Besonderheit ein Gewölbekeller aus dem 17. Jahrhundert unter dem Nachbarhaus zum Wohnhaus gehört. Auch wollte man die unmittelbaren Nachbargebäude durch weitere Abgrabungen nicht gefährden.
Erdgeschoß
Das von außen fast winzig wirkende Haus empfängt Besuchende mit einem unerwartet großzügigen, offenen Raum. Hier kann gewohnt, gearbeitet, gekocht, gegessen und gefeiert werden. Belichtet durch große Fensterflächen an den beiden schmalen Traufseiten, entsteht ein durchlässiger Raum mit einer Möblierung, die einladend alle Nutzungen ermöglicht und einen fast öffentlichen Charakter vermittelt. Der Bodenbelag aus Terrazzo-Fliesen stellt eine Verbindung zum kleinteiligen Pflasterbelag vor dem Haus und zum gekiesten Terrassenbereich im Garten her. Das raumbegleitende, sieben Meter lange Sofa lädt zum Klönen, Essen und Verweilen ein.
Obergeschoß
Das erste Obergeschoß ist Rückzugsebene für Musik, TV und Entspannung. Ein Galeriebereich verbindet diese mit dem Erdgeschoß. Durch ein Raumnetz wird der Luftraum begehbar und bietet die Möglichkeit, über dem Kaminofen im Erdgeschoß zu schweben. Im hinteren Bereich befindet sich ein Gästezimmer und das Gästebad. Ein kleiner Hauswirtschaftsbereich ist im Schrank versteckt.
Dachgeschoß
Drei 4-seitig verglaste Dachgauben, eine Dachloggia sowie kleine Fensteröffnungen in der hohen Giebelwand belichten den großzügigen Dachraum. Hier befindet sich das Schlafzimmer, sowie das innenliegende Duschbad, welches durch eine Glasdecke und die darüberliegende Dachgaube von Licht durchflutet wird.
Die Badewanne ist freistehender Blickfang, auf der Loggia befindet sich eine nicht einsehbare Sauna mit Blick auf den Kirchturm und die historische Altstadt.
Fazit
Die Wahl der Baumaterialen, insbesondere die homogenen, massiven Umfassungswände aus Infraleichtbeton, geben dem Haus nach außen ein modernes Erscheinungsbild, das sich wunderbar in die heterogene Bebauung der Altstadt einfügt. Es gibt keinen rechten Winkel in der Außenhülle, die gegossenen Wände mit Vor- und Rücksprüngen und ihren Fensteröffnungen erscheinen zufällig und sympathisch. Zeitlos dokumentiert, spür- und ablesbar sind die Betonierabschnitte im Inneren und Äußeren des Hauses. Nach einer spannenden, ungekannten Bauphase ist ein betoniertes Unikat entstanden.
Zitat
Ziel war es Geschichte und Gegenwart in Einklang zu bringen. Einen Ort im historischen Kontext neu zu besetzen, dabei sensible Bezüge zu den am Ort vorgefundenen Gestaltungsmerkmalen herstellen, jedoch unter Verwendung zeitgemäßer Baumaterialien. Nachhaltigkeit stand dabei stets im Fokus, um eine zukunftsweisende Architektur zu schaffen.